Es gelten die Neun edlen Tugenden, die von nahezu allen Heidengruppen geteilt werden:
Ehre ist die Grundlage des Zusammenlebens. In ihrem Kern ist sie, was wir mit einem modernen Rechtsbegriff Menschenwürde nennen, und daher der Mittelpunkt unseres Menschenbildes und unserer Ethik. Auch Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes beginnt mit dem Satz: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Nach alterTradition ist die Ehre das höchste Gut sowohl des einzelnen wie seiner Sippe und Gemeinschaft. Jeder muss die Ehre der anderen achten und die eigene mit allen Kräften bewahren und nach Möglichkeit mehren. Ein ehrenhaftes Leben ist das oberste Ziel, denn in der Ehre liegt auch das Heil.
Treue ist daher der Ehre untergeordnet. Jede Treuepflicht endet, wenn ihre Erfüllung etwas Unehrenhaftes verlangen würde oder einer der Partner seine Ehre verliert oder die des anderen verletzt. So ist Treue immer eine Pflicht auf Gegenseitigkeit. Sie wird zwischen freien Menschen durch Vertrag oder Eid begründet, erlegt allen die gleichen Pflichten auf und erfordert, dass alle sie gleich erfüllen. Unbedingt ist nur die Sippentreue.
Mut ist eine notwendige Tugend, wenn man die Forderungen der Ehre und Treue auch in schwierigen Situationen erfüllen will. Es geht dabei nicht um Wagemut oder Tollkühnheit, sondern um die Bereitschaft, das zu tun, was getan werden muss. Diese Art Mut ist es, von der Heldenlieder und Sagas erzählen. Eng miteinander verwoben, bilden Ehre, Treue und Mut die Dreiheit der “klassischen” Tugenden aus alter Zeit.
Wahrheit wird in den alten Quellen eher nur dann als Tugend geschildert, wenn sie Mut erfordert und Ehre bringt, etwa wenn sich jemand offen gegen einen Mächtigeren stellt. Es geht dabei nicht um Ehrlichkeit um jeden Preis, sondern darum, dass man zu dem steht, was man ist, tut und denkt - dann, wenn die Wahrheit Ehrensache ist. Auf jeden Fall ist sie das vor Gericht, im Wissen und Forschen und in der Religion. Heidentum heißt nicht blind glauben, sondern frei die Wahrheit suchen.
Gastfreundschaft ist eine viel gelobte Tradition. Gäste reich zu bewirten war Pflicht und Ehre eines jeden, an dessen Tür sie klopften. Der Gast ist heilig im Sinn von unantastbar. Er hat nicht nur Anspruch auf Unterkunft und Versorgung, sondern auch auf Schutz durch den Gastgeber. Mit anderen zu teilen, Fremde gastfreundlich aufzunehmen und Verfolgten Schutz zu bieten, ist alte Sitte und Teil unserer Ethik.
Selbstständigkeit bedeutet, nicht von fremder Hilfe abhängig zu sein. Wir streben danach, unsere Ziele aus eigener Kraft zu erreichen, und verlangen von der Gesellschaft nur, allen die gleichen Chancen zu geben. Das bedeutet aber nicht, dass der einzelne auf sich allein gestellt ist. Die Solidarität in der Sippe, die ja keine fremde Hilfe ist, gehört mit zum Konzept der Selbstständigkeit.
Disziplin, Fleiß und Ausdauer sind praktische Tugenden. Sie sind kein Selbstzweck, aber sie nützen uns, um unsere Ziele zu erreichen, und wir schätzen sie an anderen, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten.